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19.04.2023

BMAS legt Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor

Der Referentenwurf sieht eine grundsätzlich elektronische Arbeitszeiterfassung vor.

Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 zur Arbeitszeiterfassung angekündigt
hatte, bis zum ersten Quartal dieses Jahres rechtliche Vorgaben zur Erfassung der Arbeitszeit zu statuieren, liegt nun der Referentenentwurf mit dem Bearbeitungsstand
vom 18. April 2023 vor. Der Entwurf befindet sich unserem Kenntnisstand nach in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Eine Verbändeanhörung ist noch nicht eingelei-
tet.

I. Wesentlicher Inhalt
Der Entwurf umfasst neben Änderungen des Arbeitszeitgesetzes Änderungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes und der Offshore-Arbeitszeitverordnung. Im Bereich des Arbeitszeitgesetzes sind vor allem folgende Novellierungen geplant:

1. § 16 Abs. 2 ArbZG wird dahingehend geändert, dass generell Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen sind.

2. Darüber hinaus werden dem § 16 folgende Absätze angefügt:

a) Es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber die Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer "delegieren" kann.
b) Der Arbeitgeber kann auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Hierfür hat er sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit und der Ruhezeiten bekannt werden.
c) Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten verlangen. Der Arbeitgeber muss ggf. eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen.
d) In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung können Abweichungen vereinbart werden von

  • der elektronischen Form,
  • dem Zeitpunkt der Aufzeichnung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen,
  • für Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.

3. Für Arbeitgeber, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, gilt die Verpflichtung zur Erfassung in elektronischer Form nicht. Für alle anderen Arbeitgeber
gelten hinsichtlich der Form, nicht hinsichtlich des Zeitpunkts, Übergangsvorschriften ab Inkrafttreten des Gesetzes, die wie folgt gestaffelt sind:

  • für Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmern eine Mindestübergangszeit von einem Jahr,
  • für Arbeitgeber ab 50 aber weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre,
  • für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern aber mehr als 10 Arbeitnehmern fünf Jahre.

4. Die Vorschrift über Ordnungswidrigkeiten in § 22 wird entsprechend der Neufassung von § 16 angepasst. Darüber hinaus wird die Information des Arbeitnehmers
ebenfalls in den Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand aufgenommen.

5. Die Ausnahmevorschriften der §§ 18 ff. bleiben unverändert.

II. Bewertung
Anders als noch im Koalitionsvertrags angekündigt, beschränkt sich der Entwurf auf neue Regulierungen. Es ist in keiner Weise verständlich, dass die im Koalitionsvertrag ausdrücklich bzw. mittelbar angekündigten Flexibilisierungen in Bezug auf Höchstarbeitszeiten bzw. Ruhezeiten nicht angegangen werden. Dies ist von der Wirtschaft und die Arbeitgeber im
Handwerk wiederholt eingefordert worden. Der nun vorliegende Entwurf entspricht weder dem Koalitionsvertrag noch den berechtigten Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern an einer flexiblen Arbeitszeit. Er beschränkt sich im Gegenteil im Wesentlichen auf Regulierungen und neue Bürokratie.

Die notwendige und sinnvolle Formfreiheit der Arbeitszeiterfassung wird nicht gewährleistet. Vielmehr wird eine generelle Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung eingeführt. Diese hat darüber hinaus taggenau zu erfolgen. Beides ist nicht nur von der europäischen Arbeitszeit- oder der Arbeitsschutzrichtlinie sowie dem deutschen Umsetzungsgesetzen nicht gedeckt, entspricht darüber hinaus auch nicht der Rechtsprechung von EuGH und BAG und geht somit weit über die europäischen und nationalen Umsetzungserfordernisse hinaus.

Die Möglichkeit, Aufzeichnungspflichten auf den Arbeitnehmer zu übertragen, entspricht der bisherigen Rechtsprechung und wurde von niemandem in Frage gestellt. Insoweit handelt es sich - wie die Begründung zu Recht herausarbeitet - um eine reine Klarstellung.

Der neugefasste § 14 Abs. 4 ArbZG zielt auf die vertraglich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit. Dass auch für Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit das Arbeitszeitgesetz gilt, ist unbestritten. Unklar bleibt, wie weit die Kontrollen des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang reichen sollen.

Die Abweichungsmöglichkeit beschränkt sich dem Grunde nach auf Tarifverträge (die für Betriebsvereinbarungen Öffnungen enthalten können). Sie gilt - abweichend zu der bisherigen Systematik des Arbeitszeitgesetzes - nur für tarifgebundene Arbeitgeber. Es sind keine Abweichungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages durch Individualvereinbarungen
oder Betriebsvereinbarungen vorgesehen.

Richtigerweise verortet der Entwurf die Arbeitszeiterfassungspflicht eindeutig im Arbeitszeitgesetz. Dies schließt nach unserer Einschätzung den Rückgriff auf das Arbeitsschutzgesetz aus. Ebenso richtig ist, dass die Ausnahmevorschriften in den §§ 18 ff unangetastet bleiben.

Im Gesetzgebungsverfahren werden wir uns dafür einsetzen, dass die geplanten Novellierungen auf den zwingend notwendigen Umsetzungsbedarf zurückgeführt und die Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.

Über das weitere Verfahren werden wir Sie zeitnah unterrichten.

 

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